Vorgeschichte:
Der nördliche Teil Chiles gehörte bis ins 16. Jahrhundert,
als die Spanier begannen Chile zu erobern, zum Inkareich. 1541
wurde von den Spaniern die Stadt Santiago durch Pedro Valdivia
gegründet. Im südlichen Teil Chiles leisteten die Mapuche in
vielen Kriegen erbitterten Widerstand. Dieser Widerstand sorgte
dafür, daß die Spanier es nicht schafften, das Gebiet zu erobern,
das südlich von Rio Bio Bio liegt. Erst das im 19. Jahrhundert
mittlerweile unabhängige Chile schaffte dies. Die Unabhängigkeit
Chiles von Spanien wurde am 12.02.1818 proklamiert.
Erste
Deutsche Kolonisation in Chile, Llanquihue:
1831 bereiste der deutsche Bernhard Eunom Philippi zum
ersten mal Chile. Er war im Auftrag des Berliner Museums unterwegs
und entdeckte in (Süd-) Chile eine fast menschenleere Landschaft
die hervorragend geeignet war zum kolonisieren. Diese Idee hatte
auch schon die Chilenische Regierung kurz nach der Unabhängigkeitserklärung.
Sie wollte damit die Bevölkerungszahlen steigen und gleichzeitig
die Wirtschaft fördern. Jedoch sorgte Philippi dafür, noch vor
der Chilenischen Regierung, erste Schritte zur Kolonisation Chiles
einzuleiten. Philippi veröffentlichte seine ersten Aufsätze über
Südchile in den Berichten der Berliner Gesellschaft für Erdkunde.
1844 schreibt er an seinen Bruder, daß dieser einige
Handwerkerfamilien für die Gemeinschaft mit dem preußischen
Konsul Flindt übernommene Hacienda Bellavista bei Trumao nach
Chile senden soll. 1846 erschien anonym seine Abhandlung
"über Vorteile, welche das südliche Chile für die deutsche
Auswanderung darbietet". Im Jahre 1846 gewann er dann neun
hessische Handwerksfamilien aus Rothenburg, die nach Chile
auswanderten. Es waren genau 30 Personen. Diese trafen im selben
Jahr in Corral, dem Hafen Valdivias ein. Sie wurden auf Land
angesiedelt, daß man von Indianern erworben hatte. Valdivia und
Llanquihue zählten damals 7000 Einwohner, zu denen etwa zwei- bis
dreimal so viele der einheimischen Bewohner des Cunco-Stammens
kamen. Den Handwerksfamilien war vorausgegangen die aus Philippis
Veranlassung eingewanderten Brüder Frick aus Berlin und F.W. Döll
aus Witzenhausen, die sich im Valdivia niederließen. Die
Handwerker von Bellavista siedelten später nach Osorno über.
Ihre Briefe über die Erfahrungen in Chile trugen sehr zur Förderung
der Einwanderung bei. 1847 besuchen Aquinas Ried, Maaß, Grün
und Franz Kindermann aus Veranlassung Philippis Südchile, indem
sie von Valparaiso mitten durchs Araukanergebiet eine Reise bis
Bellavista unternehmen. Dr. Ried besuchte damals den Llanquihue-See,
den Philippi schon 1842 kennen gelernt hatte. Vor ihm hatte ihn
1835 der Naturforscher Gay aufgesucht. 1848 erschien Rieds Schrift
"Deutsche Auswanderung nach Chile". Kindermann lässt
sich in Südchile nieder, erwirbt Bellavista und kauft durch
Renous etwa eine Million Hektar Land von den Ureinwohnern ab, um
sie mit Deutschen zu besiedeln. Valdivia zählte damals 1500 -
2000 Einwohner, Rio Bueno 500, Osorno 1000 - 1500. La Uniòn
konnte man nicht als Siedlung bezeichnen. Maullin und Calbuco zählten
einige hundert Personen. Die Haupteinnahme der Bevölkerung
bestand aus dem Verkauf von Alerceholz. Philippi und Kindermann führten
die Zucht von Merino-Schafen ein. 1848 - 1851 wird Philippi
von der chilenischen Regierung nach Deutschland entsandt, um seine
Projekte auszuführen. Es wird ihm versprochen, daß er der Leiter
der Siedlungen werden soll. In Kassel veröffentlich er drei
Schriften: "Nachrichten über die Provinz Valdivia"
(1851), "Neue Nachrichten" (1851) und "Neuste
Nachrichten" (1852). Gleichzeitig wurde Mac Namara nach
Irland entsandt, um irische Einwanderer zu werben. Seine Mission
scheiterte. Auch Philippi musste erst die Regierung bewegen, von
ihren ursprünglichen Bedingungen Abstand zu nehmen, bevor er
Erfolg hatte. Ursprünglich sollte jeder Einwanderer für jede
Cuadra Land 15 Pesos zahlen, auch sollten nur katholische
Einwanderer ins Land kommen. Da die Bischöfe von Fulda und
Paderborn ihren Befohlenen die Auswanderung verboten hatte, mußte
Philippi notgedrungenermaßen auch Protestanten werben. Im Jahr 1849
reiste Franz Kindermann nach Deutschland und gründete in
Stuttgart einen Auswandererverein, der auf privaten Wege die
Kolonisation betreiben sollte, und zwar auf dem von Kindermann
erworbenen Gebiet. 1850 traf das erste Auswandererschiff in
Valdivia ein. Die Regierung hatte die von Renous mit den
Ureinwohnern geschlossenen Verträge für ungültig erklärt. Das
in Privathand gelegene Land wurde zu Spekulationszwecken mißbraucht
und war nur zu ungeheuren Preisen zu haben. Es gelang dem
damaligen Intendanten von Valdivia, Pèrez Rosales, die Insel Teja
bei Valdivia zu erwerben, auf der die Einwanderer angesiedelt
wurden. 1851 findet die Gründung von Kolonien in Santa
Maria (am Fluss Cruces), la Uniòn, Cudico und in der Pampa de
Negròn statt. Kindermann veranlaßt die Herausgabe der Schrift
von Bromme und Simon, "Auswanderung und deutschnationale
Kolonisa-tion in Südamerika, mit besonderer Berücksichtigung des
Freistaates Chile". Nach der Gründung des Stuttgarter
Auswanderungs-Vereines erscheint eine Zweite: "Valdivia und
Chiloè". Am 16.04.1851 berichtet Pèrez Rosales an den
Innenminister, er sei soeben von einer Reise nach Llanquihue zurückgekehrt
und habe den Norden und Westen des Sees besucht. Durch einen
gewaltigen Waldbrand, der sich vom Llanquihue- bis zum Puyeshue-See
erstreckte, und den Pichi-Juan (ein Ureinwohner) anstellte, der
auch später eine große Rolle bei der Gründung der
Llanquihuekolonien spielte, sei das früher mit Wald bedeckte
Gebiet zugänglich gemacht worden und eigene sich vorzüglich zur
Besiedelung. B. E. Philippi und sein Bruder, der berühmte
Gelehrte Rudolf Amandus Philippi, kehren nach Chile zurück.
Philippi werden von Antonio Varas Vorhaltungen gemacht, daß er
Protestanten nach Chile gebracht habe. Dem Pionier der deutschen
Einwanderung wurden die gemachten Versprechungen nicht eingehalten,
und statt ihn als Leiter der Kolonien nach Llanquihue zu entsenden,
wurde er 1852 zum Gobernador de Magllanes ernannt, um dort nach
dem Aufstand Cambiasos die Ruhe wieder herzustellen. Am 27.10.1852
wurde er hier mit sechs Begleitern von den Feuerländern
erschlagen. Bis zur Abreise Philippis von Deutschland waren
tausend Deutsche nach Südchile ausgewandert. Der Rupanco-See wird
von Ermenegildo Molina aus Osorno zum ersten Mal besucht. Später
untersucht Döll 1857-58 dieses Gebiet eingehend.
Am 3. März 1852 gelangen die ersten deutschen Siedler nach
Playa Maitèn, am Nordufer des Llanquihue-Sees, von Osorno aus
vorstoßend. Bald wird auch Volcàn gegründet, danach entstand
Puerto Octay und in El Carril entstand später eine deutsche Shile,
deren Leiter Anton Gebauer war. Im November läuft die "Susanne"
in Valdivia ein, welche 105 Einwanderer nach Chile bringt. Pèrez
Rosales entschließt sich, einen Teil der Einwanderer und andere,
die noch kein Unterkommen gefunden haben, nach Llanquihue zu
bringen. Am 16.11. segelt das erste große Transportschiff, der
"Janequeo", dorthin ab. Die "Susanne" läuft
am 23. in Ancud ein. Die Auswanderer werden auf Leichter geschafft
und landen am 28. November in Melipulli. Der Ort bestand damals
aus zwei oder drei Chilotenranchos. Ein Schuppen, die sogenannte
Casa Grande, wurde hergerichtet, um die künftigen Siedler dort zu
beherbergen. Am 1. Januar 1853 segelt der
"Infatigable", begleitet vom "janequeo", mit
neuen Einwanderern von Valdivia ab. Sie gelangen am 19. Januar
nach Melipulli. Der Kommandant des "Janequeo",
Buenaventura Martinez, reist mit Pèrez Rosales am 20. Januar nach
Osorno; der Ritt dauert 16 Stunden. Von dort zurückgekehrt,
findet am 11. Februar die Vermessung des zu gründeten Ortes statt.
Am folgenden Tag verkündet am frühen Morgen Kanondonner des
festliche Ereignis. Ein Festzelt wird aufgestellt, der Geistliche
hält eine Feldpredigt, unterstützt von einem deutschen Chor.
Melipulli erhält den Namen Puerto Montt, der sich allerdings
nicht sogleich einbürgerte.
Es
werden folgende Kolonien gegründet:
a) dicht bei Puerto Montt siedeln sich einige Familien an, welche
die Stadt mit Gemüse, usw., versorgen (1857 waren es 24 Personen)
b) andere Familien siedeln sich vom Alercewald bis zum Südufer
des Sees an (1857 waren es 200 Personen)
c) am Westufer des Sees enstehen die Ortschaften Llanquihue,
Frutillar, Puerto Varas u.a., insgesamt waren es 1857 250 Personen
d) auch nach dem bereits zum Teil erschlossenen Nordufer zogen
Siedler aus Melipulli. Die ersten Ansiedler erhielten von der
Regierung hundert Cuadras Land, und zwar von einer Front am See
von fünf und einer Tiefe von 20 Cuadras. Die späteren Siedler,
die nach 1856 Llanquihue kamen, erhielten zwischen 25 und 50
Cuadras und die, die nach 1870 eintrafen, noch weniger. Die Reise
kostete einen Erwachsenen 80, für Kinder 40 Taler. Im ersten Jahr
wurde eine Geldunterstützung von 15 Pesos für den Mann, zwölf
Pesos für jedes über zehn Jahre alte Kind gezahlt. Außerdem
erhielt jeder Siedler Bretter und Nägel zum Hausbau, ein Joch
Ochsen, eine Milchkuh und Sämereien. Die Cuadra wurde mit einem
Peso berechnet. Alle von der Regierung gemachten Vorschüsse
sollten unverzinst zurückgezahlt werden. Die Gesamtkosten der
Kolonisation von Llanquihue betrugen 154000 Pesos. 1856
langten vier Segler mit 5000 PErsonen in Puerto Montt an. 1858
besucht Dr. R. A. Philippi das Siedlungsgebiet und berichtet darüber:
Das nördliche Ufer des Sees lieg zehn Reitstunden von Osrono
entfernt, das südliche, vier bis fünf von Puerto Montt. Es fand
eine regelmäßige monatliche Dampferverbindung mit Valparaiso
statt. In der vinz war noch keine Schneidermühle in Betrieb.
Puerto Montt zählte 150 Häuser und 610 Einwohner, von denen 234
Deutsche waren. Es gab damals: Eine Bierbrauerei, einen
Schiffsbauer, einen Schlosser und Maschinenmacher, einen
Ziegelbrenner, einen Klempner, einen Schuster, einen Schneider,
einen Metzger, einen Bäcker und vier Schmiede. Es gab eine Schule
für Jungen und eine für Mädchen. Am Ort war ein deutscher Arzt
(Dr. Franz Fonck) mit eigener Apotheke tätig, ebenso waren zwei
Ingenieure ansässig. Das Schlachtvieh kam aus Osorno, zum Teil
schon von der Kolonien am See. Mehl und Getreide wurden aus
Concepciòn eingeführt. Die Parzellen waren sehr unvorteilhaft am
See vergeben worden. Da jede Familie isoliert lebte, würde für
je 14 Familien eine Schule benötigt werden; auch die gegenseitige
Hilfeleistung wurde durch diese Verteilung sehr erschwert. Im
Durchschnitt hatte jede Familie eineinhalb Cuadras Land urbar
gemacht, nur wenige hatten es bis zu sieben Cuardras gebracht.
Eine Möglichkeit, Getreide oder Kartoffeln zu verkaufen, bestand
nicht, da die Wege es nicht erlaubten. Der Transport erfolgte auf
Maultieren, ärmere Siedler trugen ihre Lasten auf den Schultern.
Jede Maultierladung nach dem Hafen kostete vier Pesos. 1860
sollten die von der Regierung begonnen Wege in Stand gesetzt sein.
Im Jahre 1861 wurde Llanquihue zur Provinz erhoben - bis
dahin war es nur ein Kolonisationsterritorium und hing von Chiloè
ab.1872 - 75 fand, nachdem seit 1860 kaum noch Einwanderer
nach Llanquihue kamen, eine stärkerer Einwanderung aus deutsch-Böhmen
statt. Damals entstanden die Orte
Quilanto (1872), Los Bajos (1872), El Carril (1873), Linea
Pantanosa (1874) und Nueva Braunau, u.a.). Zwischen
1852 und 1875 kamen insgesamt 419 Familien mit 1665 Personen ins
Kolonisationsgebiet Llanquihue. Knapp 40% davon waren deutsche.
Nachdem im Jahre 1907 und 1912 die Eisenbahnlinien
Osorno und Montt ausgebaut wurden war Schluß mit der weitgehenden
Isolierung der deutschen. Es strömten viele spanisch sprechende
Leute aus dem restlichen Staatsgebiet ein und somit war vorbei mit
der Kolonisation im eigentlichem Sinn. Daraus folgte nicht nur
eine direkte Sprachkonfrontation, sondern auch eine Abwanderung
der deutschen, vor Allem in Städte. Ein wichtiger Grund hierfür
war auch die Ausbildungs- und Studiermöglichkeiten für jüngere
Leute.
Weitere
Einwanderungswellen:
Eine zweite größere Einwanderungswelle gab zwischen 1882
und 1914. In dieser Zeit verschlug es überwiegend Land-
und Industriearbeiter aus dem deutschen Osten nach Chile. Sie
Siedelnden sich im "Frontera"-Gebiet an. Diese
Einwanderungswelle wurde vom Chilenischen Staat für verschiedene
Europäischen Nationalitäten organisiert, somit blieben in diesem
Bereich die deutschen Minderheit zwischen vielen Europäischen
Personengruppen.
In
den 20er und 30er Jahren gab es dann weitere
Einwanderungswellen. Der Grund hierfür waren kleinere deutsche
Kolonien in der Nähe von Concepciòn, in Penaflor bei Sntiago und
an der Küste in La Serena. Während der NS Zeit in Deutschland
gab es auch viele deutschsprachige Juden, die nach Chile
auswanderten. (Vielen Dank an die Deutsch-Chilenisch Wochenzeitung
"Condor",
die uns diesen Text und die Fotos zur Verfügung stellte)
|